Vereinsfahne
Die Geschichte der Vereinsfahne
(Quelle: Festbücher 1932 und 1982 sowie Anmerkungen von Jörg Pöschl)
Kurzes Vorwort:
Der „Turnverein Falkenstein“ wurde als Vorläufer der heutigen TSG am 16. April 1882 gegründet. Im Jahre 1890 kam es dann zu verschiedenen Auseinandersetzungen und Streitigkeiten im Turnverein, deren Folge der Ausschluss und Austritt einiger Mitglieder war. Im Dezember 1890 wurde daraufhin eine weitere Turnvereinigung, nämlich die „Turngesellschaft Falkenstein“ gegründet.
Geschichte:
Zu den Fragen, die wir heute für nicht mehr so wichtig und entscheidend im Vereinsleben halten, gehörte seinerzeit zweifellos die Rolle der Vereinsfahne. Jeder Verein, gleich zu welchem Zweck gegründet, war bestrebt, sich als äußeres Zeichen der Gemeinschaft eine Vereinsfahne zu beschaffen. Bei allen wichtigen Anlässen wurde sie mitgeführt und der Gruppe vorangetragen.
Meist war die Fahnenweihe die wichtigste Angelegenheit in den ersten Jahren des Bestehens eines Vereins. Schleifen und Fahnennägel kamen mit der Zeit als Erinnerungsgaben hinzu.
Selbstverständlich wollten die Falkensteiner Turner in dieser Sache den anderen nicht nachstehen. Folglich wurde in der Generalversammlung des Turnvereins im Jahre 1890 die Gründung einer Fahnenkasse beschlossen, die die notwendigen finanziellen Mittel beschaffen sollte. Ein eigens bestellter Kassierer erhob pro Mitglied 10 Pfg. bzw. 20 Pfg. pro Monat. Darüber hinaus konnten auch freiwillige Zeichnungen durch die Bevölkerung vorgenommen werden. Zur besseren Verwirklichung dieses Wunsches wurde außerdem ein Damenkomitée gegründet.
Der Chronist vermerkt hierzu:
„Zur schnelleren Verwirklichung beschlossen wir, sämtliche Jungfrauen dahier zur Mitwirkung einzuladen“.
Daraufhin haben sich dreißig Damen gemeldet und das Einkassieren des Geldes übernommen. Nach zwei Jahren war der veranschlagte Betrag aufgebracht und die Fahne wurde bei einer Frankfurter Firma zum Preis von 500,00 Mark bestellt. Nach Auftragserteilung stiftete der Firmenchef ein Fass Bier, das dann von der Versammlung in der Wirtschaft Wolf getrunken wurde.
Am Sonntag, den 12. Juni 1892 – der Turnverein bestand jetzt zehn Jahre – fand die Fahnenweihe unter Beteiligung örtlicher und auswärtiger Vereine statt. Festkomitee und Festdamen hatten alles gut vorbereitet, sodass später wie folgt über diesen Tag berichtet werden konnte:
„Am Sonntagmorgen wurde der Turntag bei Peter Wolf eröffnet. Um ½ 9 Uhr wurde mit dem Turnen begonnen, um 11 Uhr war dasselbe beendet. Um 2 Uhr begann die Aufstellung des Festzuges am unteren Ende des Dorfes in der Königsteiner Straße. Erschienen waren folgende Vereine: Turnverein Cronberg, Turngesellschaft Cronberg, Turnverein Schmitten, Turnverein Bonames, Athletenclub Schönberg, beide Vereine zu Schwalbach sowie die hiesigen Gesangvereine („Harmonia“ und „Frohsinn“) und der Kriegerverein. So bewegte sich der Festzug unter Böllerschüssen zum Festplatz. Daselbst erfolgte die Übergabe der Fahne durch Fräulein Elisabeth Mühl mit entsprechender Rede an den Turner Johann Wolf, der dieselbe in derselben Weise erwiderte. Ferner hielt der Präsident, Josef Hasselbach II, eine Ansprache zur Eröffnung der Feier. Nachdem belustigte sich das Publikum bei Tanz und Fröhlichkeit sowie Gesangsvorträgen des Vereins „Frohsinn“, bis der Rückmarsch um 8 Uhr angetreten wurde. Hierbei wurde Herrn Dr. Dettweiler ein Ständchen gebracht, das dieser dankend annahm. Abends war der Ball im „Frankfurter Hof“, der ziemlich gut besetzt war.“
Zwar wurde das Fest noch am Montag fortgesetzt, doch war man mit dem Erfolg nicht ganz so zufrieden: „ ....doch konnten wir im allgemeinen das Resultat als befriedigend bezeichnen“, umschreibt der Chronist das Ergebnis. Die Veranstaltung litt unter kühler Witterung, was ja zu dieser Jahreszeit hier keine Seltenheit ist. Auch wurde die schwache Beteiligung beklagt und auf eine Terminüberschneidung mit einer Gewerbeausstellung in Königstein hingewiesen.
Mit der Anschaffung und Übergabe der Vereinsfahne waren aber noch nicht alle Fahnenprobleme gelöst. Dieses wichtige und wertvolle Requisit musste nun auch einen entsprechenden Aufbewahrungsort erhalten. Mit dem Gesangverein „Frohsinn“, der ebenfalls eine Vereinsfahne besaß, kam man überein, gemeinsam einen Fahnenschrank in Auftrag zu geben und nach dessen Fertigstellung die Vereinszeichen dort zu deponieren. Gleichzeitig wurden Fahne und Schrank zum Wert von 520,00 Mark versichert.
1897 kam es nach siebenjähriger getrennter Vereinstätigkeit zu intensiven Gesprächen über eine Vereinigung von Turnverein und Turngesellschaft. Sie scheiterten jedoch an den Formalien, wie künftiger Name, Angabe über das Gründungsjahr und vor allem über die Verwendung der Fahne des Turnvereins. Erst 1904 konkretisierten sich dann die Verhandlungen wieder und am 2. Weihnachtsfeiertag (!) fanden in beiden Vereinen Mitgliederversammlungen statt, welche die von den Vorständen vorgeschlagene Wiedervereinigung der Falkensteiner Turner einstimmig billigten. Im Januar 1905 folgte dann die erste Jahreshauptversammlung der vereinigten Organisationen. Es wurden verschiedene Regelungen für eine Übergangszeit gefunden und durch Losentscheid der bisherige Vorsitzende des Turnvereins, Josef Dietz (Gärtner), zum künftigen Vorsitzenden der neuen „Turngemeinde Falkenstein“ bestellt.
Der Schriftzug der Fahne des bisherigen Turnvereins musste geändert werden, neue Fahnenschleifen und Vereinsabzeichen waren anzuschaffen. So ist das Jahr 1905 zu einem wichtigen Jahr in der Geschichte des Vereins und seiner Fahne geworden, die noch heute den seinerzeit geänderten Schriftzug trägt.
Gerade in der wilhelminischen Zeit im Zeichen des wachsenden Nationalismus und Militarismus sowie besonders zwischen den zwei Weltkriegen war die Fahne wichtiges Utensil bei Turnfesten, Turnwettkämpfen und Festumzügen. Das Vereinsleben und seine Veranstaltungen standen immer im Zeichen der Fahne und die Chronik weist aus, dass die Turner als Lohn ihrer turnerischen Mühen viele Fahnenschleifen auf Turnfesten gewinnen konnten. Ein Teil davon, und hier handelt es sich um die Schleifen mehrere Deutscher Turnfeste und Hessischer Landesturnfeste, blieben dem Verein bis zum heutigen Tage erhalten.
Die Bedeutung der Vereinsfahne hat aus zeitgeistlichen Gründen nach dem 2. Weltkrieg sehr stark nachgelassen. Dies korrespondiert auch mit der Tatsache, dass der Turngedanke ab 1946 innerhalb der Sportgemeinschaft Falkenstein nicht mehr im Vordergrund des Geschehens stand; der Fußball war fortan das dominierende Element und Turnfeste wurden nur noch selten von einigen wenigen Altersturnern besucht. Hier seien vor allem Franz Beer, Wilhelm Lind, Heinrich Dietz, Artur Heil und Walter Krimmel genannt.
Ab Mitte der 90er Jahre wurde die Turnerfahne zusammen mit dem Vereinsarchiv zunächst in den vereinseigenen Schränken im Bürgerhaus untergebracht. Ein großer Dank sei an dieser Stelle dem 1998 verstorbenen „Turnvater“ Heinrich Dietz gewidmet, der nahezu 70 Jahre lang (von den späten 20er Jahren ab bis ins Jahr 1997) die Fahne und einen Großteil des Vereinsarchivs bei sich zuhause aufbewahrte und durch manch bewegte Zeit und die Wirren des Krieges hinwegrettete und somit für die heutige Nachwelt sicherte.
Aus einem Protokolleintrag im Jahre 1946 geht hervor, dass die Fahne mit Beginn des Jahres 1945 aus Angst vor Verlust infolge einiger alliierter Luftangriffe auf Falkenstein, aber auch aus Sorge um eine Zerstörung oder Verbrennung durch die, wenige Wochen später in Falkenstein einmarschierenden Amerikaner in wechselnden und streng geheim gehaltenen Verstecken aufbewahrt wurde, so u.a. auch in einem Erddepot in einem Garten im Johannisbrunnenweg.
Viele Anlässe hat die Fahne im Laufe ihrer nunmehr 125-jährigen Geschichte begleitet und die samtene Seide könnte sicherlich unzählige Geschichten aus früheren Vereinsepochen und von früheren Generationen erzählen. Sie hat sich über das Grab manch wackeren Turners und Mitglieds gesenkt sowie rauschende Feste und spannende Wettkämpfe erlebt.
Zum hundertjährigen Jubiläum der Turner im Jahre 1982 wurde ihr verschlissener Stoff komplett restauriert. Die Mitglieder Horst Zimmer und Walter Krimmel haben dankenswerterweise seinerzeit die nicht unerheblichen Kosten hierfür übernommen.
Seit 1997 erlebt die Turnerfahne eine gewisse Renaissance, wurde sie doch auf Initiative des amtierenden TSG-Vorsitzenden Jörg Pöschl seither zu den alljährlichen Jahreshauptversammlungen sowie zu wichtigen Anlässen und Jubiläen wieder aus dem Archiv-Schrank im Bürgerhaus hervorgeholt und zur Schau gestellt. Seit 2008 hat die Fahne nun sogar ein festes Domizil in einem beleuchteten gläsernen Fahnenschrank im TSG-Vereinsheim gefunden, wo sie seither von jedem Besucher betrachtet werden kann.
Ihr 125-jähriges Jubiläum feierte die Fahne im Juni 2017 ausgerechnet in Berlin, wo sie auf eine längere Reise zum Deutschen Turnfest ging und als eine von über 1.500 Fahnen im Festzug durch das Brandenburger Tor getragen wurde. Durch die Teilnahme am Deutschen Turnfest in Berlin wurde die Fahne auch wieder einmal mit einem der nach wie vor recht begehrten Fahnenbänder dekoriert. Seit dem Deutschen Turnfest 1983 in Frankfurt ist dies das erste Mal, dass die TSG wieder ein Fahnenband bei einem der großen Turnfeste ergattern konnte.
Der Vorstand hat im Juli 2017 beschlossen, als Ausdruck der Erinnerung an den 125. Jahrestag der Fahnenweihe auf ganz traditionelle – und vor allem bleibende – Weise daran zu erinnern und „unserer“ Fahne zum Geburtstag ein weiteres, speziell angefertigtes Fahnenband zu schenken, welches im Reigen der anderen historischen Fahnenschleifen nun sicherlich einen würdigen Platz finden wird. Im November 2017 lud der Vorstand die Mitglieder dann zu einer „Geburtstagsparty“ im Rahmen einer kleinen Feierstunde anlässlich des 125sten Geburtstages der Vereinsfahne ins Vereinsheim ein, wo die Schleife feierlich enthüllt wurde und in einem launigen Vortrag die Geschichte der Vereinsfahne nochmals beleuchtet wurde.
Zusätzlich haben zu diesem Jubiläum zwei Mitglieder einen Fahnennagel gestiftet, der - an der Fahnenstange angebracht - an den 125. Jahrestag der Fahnenweihe erinnert.
(Dezember 2017)